Als Frederik eines Morgens aufwachte, verspürte er ein unbändiges Verlangen nach Keksen mit Schokoladenüberzug. Er stand also auf und schaute aus dem Fenster. Der Morgen dämmerte. Mama war so früh bestimmt noch nicht wach und Papa war sonntags immer ein Langschläfer.
Frederik öffnete vorsichtig die Tür seines Zimmers und spähte hinaus in den Flur. Nichts zu sehen. Kein Licht in der Küche.
Gut, dachte er, Mama war also wirklich noch nicht wach.
Ein verschwörerisches Lächeln umspielte seine Lippen, als er mit leisen, tapsigen Schritten über den Flur schlich. Der Sechsjährige betrat die Küche und suchte nach dem großen Porzellantopf in dem Mama immer die Kekse versteckte. Aber wo bewahrte sie den Topf auf? Langsam schaute er sich um und versuchte sich im Halbdunkel zurechtzufinden.
Da! Dort oben auf dem Küchenschrank war das begehrte Stück. Unwillkürlich leckte er sich die Lippen und fragte sich, wie er da wohl hoch kommen sollte.
Manchmal hatten die Erwachsenen wirklich blöde Einfälle, zum Beispiel Töpfe so hinzustellen, dass man nicht drankam.
„Hmmmm….“, machte er. Er wollte unbedingt diese Kekse. Er wusste aber nicht wie er auf den Schrank gelangen konnte. Wenn er doch nur fliegen könnte! Könnte er fliegen, dann wäre es ganze einfach, an die Kekse zu kommen.
Aber er hatte keine Flügel. Dieser Gott von dem Mama immer sprach, konnte so toll gar nicht sein, wenn er einem keine Flügel geben konnte, um an die Kekse zu gelangen.
Trotzdem könnte man es versuchen, überlegte er. Er schlug wild mit den Armen um sich. Auf und Ab. Auf und Ab. Immer und immer wieder. Er wollte unbedingt fliegen. Also flog er.
Zuerst unmerklich, dann immer schneller, begannen sich seine Arme zu verändern. Seine dünn beschichteten Härchen verwandelten sich in große Federn und seine kleinen, dünnen Ärmchen wurden bald zu kräftigen Schwingen. Der Boden unter seinen Füßen schwand.
Ungeduldig schlug er kräftiger mit seinen Flügeln um hochzukommen. Der Porzellantopf mit den schmackhaften Keksen rückte näher und näher.
Dort, nur ein paar Zentimeter entfernt, stand das Objekt seiner Begierde! Langsam hob er den Deckel und griff hinein.
Plötzlich hörte er hinter sich einen erstickten Schrei. Er drehte sich um. Mama stand in der Küchentür, hielt sich die Hände vor den Mund, starr vor Entsetzen. Gleichzeitig in dem Augenblick, da er sie sah, verschwanden seine Flügel. Eine schreckliche Sekunde lang hielt er sich mit seinen Armen wild um sich schlagend in der Luft. Dann stürzte er in die Tiefe.